17. Dezember 2015

Hanshi Steve Arneil

HanshigoodHanshi Steve Arneil 10. DAN ist Begründer der International Federation of Karate und Hauptinstruktor des IFK – Kyokushinkai Karatestil. Seine tiefgründigen Kenntnisse und unermüdlichen Anstrengungen werden in den Kreisen der IFK – Kyokushinkai Mitglieder sehr geschätzt.

Biographie

Steve Arneil wurde am 29. August 1934 in Krugerdorps, Südafrika, geboren, wo sein Vater in einem Stahlwerk arbeitete. Später zog die Familie nach Sambia, wo Vater Arneil als Schmelzer in einer Kupfermine eine Arbeit fand.

Im Alter von 12 Jahren begann Steve mit Judo unter dem Judoka Allen Robinson (damals 5. DAN). Ihm gefiel das Training sehr gut. Er ergänzte es aber noch mit Boxen. Eine Nasenverletzung, die er während des Boxens zuzog führte zu einer Operation. Aufgrund der Schläge, die er beim Boxtraining erhielt und wegen der Operation, verboten ihm die Eltern das Boxen.

Im Jahre 1950 legte er die Prüfung zum Shodan im Judo erfolgreich ab.
Während dieser Zeit sah Steve des öfteren einen alten Chinesen hinter dessen Laden Kempo und Tai Chi trainieren. Mit ihm konnte er zwei Jahre trainieren. Gleichzeitig arbeitete er als Mechanikerlehrling und betätigte sich zusätzlich in diversen Sportarten, so auch Rugby. In der Rugbymannschaft war er einer der jüngsten Spieler, welcher die Farben der Nationalmannschaft von Nordrhodesien tragen dufte. Seine Mannschaft trat international gegen Simbabwe, England und Wales an.

Während seinen Ferien in Durban traf er einige Judoka, die Karate von japanischen Bootsarbeitern gelernt hatten. Dabei erhielt er seine ersten richtigen Karatelektionen von einem Okinawer, der ihn für einen Monat im Goju-Ryu unterrichtete. Da das Training sehr hart und aggressiv war, war Steve begeistert davon. Später, nach erfolgreich absolviertem Lehrabschluss, kehrte er nach Südafrika zurück. Dort suchte er japanische Bootsarbeiter, die meist auf Südamerikanischen Schiffen arbeiteten, und trainierte am Abend auf den Schiffen mit ihnen Karate. Für eineinhalb Jahre reiste Steve in Europa umher, wo er in Grossbritannien wieder Judo betrieb. Nach seiner Rückkehr in Nordrhodesien setzte er sein Judo- und Kempotraining fort. Zudem übte er alleine Karate. Damals trainierte er alles durcheinander und wusste nicht richtig, was er machte.

Nachdem er eine Kata sah, die Joe Grant – Greerson vorführte, entschied er, sich auf das Karate zu konzentrieren. Auf Anraten des inzwischen alt gewordenen Chinesen, wollte er nach China. Via Südafrika, wo er arbeitete und Geld sparte, verliess er Rhodesien im Jahre 1958. Auf seiner Reise gelangte er nach Hong Kong wo er für sechs Monate in einem YMCA-Hotel lebte. Während dieser Zeit trainiert er in einem Kung Fu Dojo. Doch das Training sagte ihm nicht zu und er wollte nach China reisen. Dies wurde ihm allerdings verwehrt. Nach diesem gescheiterten Vorhaben gelangte er nach Malaysia wo er auf einem Schiff nach den Philippinen anheuerte. Dort blieb er für sechs Wochen und arbeitete wieder auf einem Schiff. Er hatte dabei die Möglichkeit, Messerkampftechniken zu erlernen, welche ihn sehr beeindruckten und die er heute noch trainiert. Danach kehrte er nach Hong Kong zurück und setzte die Suche nach demjenigen Mann fort, welcher von seinem chinesischen Lehrer als sehr diszipliniert und unheimlich kräftig beschrieben worden war. Dieser Mann hiess Oyama.

In Yokohama angekommen, ein Fremder in einem fremden Land, begab er sich ins Kodokan Dojo (Judohauptdojo) nach Tokyo, wo er den in Amerika bekannten und 1982 verstorbenen Budoka, Donn Draeger, traf. Draeger war erst vor kurzem aus der Armee entlassen worden. Steve wusste, dass dieser exzellente Budoka bei Meister Oyama trainiert hatte und japanisch sprechen konnte. Gemeinsam begaben sie sich nach Ikebukuro, in die Nähe der Rikkyo Universität zu Oyamas Dojo. Dieses war klein und schmutzig. Meister Oyama befand sich zu dieser Zeit gerade in Amerika. Draeger machte Arneil mit Meister Kurosaki bekannt, der während der Abwesenheit von Oyama das Training leitete. Steve wurde gesagt, das er absitzen und dem Training zuschauen soll. Noch nie in seinem Leben hatte er etwas ähnliches gesehen. Die Disziplin und das Training waren extrem hart. Genau das war es, was er suchte. Am liebsten hätte er sofort mitgemacht, doch es wurde ihm untersagt. Zum Training bei Oyama müsse er eingeladen werden. Er dachte, das dies seine erste Lektion der Demut sei und konnte somit nicht vor der Rückkehr von Meister Oyama mit dem Training beginnen.

Meister Kurosaki erlaubte Steve aber, jeden Tag beim Training zuzusehen. So kam er täglich ins Dojo, wo er während sechs Monaten dem Training zusah. Nach jeder Lektion verliess er das Dojo, ohne dass jemand mit ihm gesprochen hätte, noch wurde seine Anwesenheit überhaupt erwähnt.

Eines Tages herrschte grosse Hektik im Dojo, – ein Mann trat ein. Er war eine sehr beeindruckende Erscheinung, und Steve wusste sofort, dass dies Meister Oyama war. Seine Manieren, seine Aura, der Respekt ihm gegenüber, die Aufregung, man konnte es in der Luft spüren. Meister Oyama erkundigte sich bei Meister Kurosaki, wer Arneil sei, und Kurosaki erzählte es ihm. Daraufhin wollte Oyama Donn Draeger sehen, welcher Oyama erklärte, dass Arneil von Afrika angereist sei, um bei ihm trainieren zu können. Oyama erklärte Arneil, wenn er beitreten wolle, müsse er tun, was ihm gesagt worden sei. Des weiteren fragte Oyama, ob Steve in Japan in anderen Dojos Karate trainiert habe. Arneil antwortete, dass er bei JKA gewesen sei. Da erklärte Oyama, dass er Steve eine Weile nicht sehen wolle und er ihm bei den anderen Stilen viel Glück wünsche. Arneil konnte es kaum glauben, dass er jeden Tag, sechs Tage die Woche, da war, bereit mit dem Training zu beginnen, und nun wollte Oyama ihn nicht trainieren lassen.

Einmal mehr begab sich Arneil nun zurück ins Dojo der JKA (Japan Karate Assoziation). Er fand das Shotokan-Karate nicht gut, es war auch nicht schlecht, es war einfach anders. Danach ging er zu Gogen Yamaguchi, dessen Training Steve gefiel, und Yamaguchi wollte, dass er sofort bei ihm anfange. Doch Arneil hatte sich gedanklich schon fürs Kyokushinkai entschieden. Dies war das Karate, das ihm zusagte.

Nach einigen Wochen kehrte er nach Ikebukuro zurück, wo er sich mit Meister Oyama traf. Oyama fragte ihn, ob er sich andere Stile angesehen und diese auch trainiert habe. Arneil bejahte dies, bemerkte aber, dass er sich ausschliesslich fürs Kyokushinkai entschieden habe. Daraufhin bekam er von Meister Oyama einen Gi, und er begann mit dem Training.

Alles, was er bei den anderen Trainings zuvor gelernt hatte, kam ihm jetzt zugute. Trotzdem musste er ganz von vorne beginnen. Stundenlang übte er Faustschläge, nichts als Faustschläge. Er war oft der Verzweiflung nahe und dachte sich, dass Oyama ihm gegenüber kein Interesse und Verantwortungsgefühl habe, – Oyama kritisierte nur. Eines Tages wurde Steve die Stellung Zen-kutsu-dachi gezeigt. Dies war für ihn ein Erlebnis, wie frischen Wind zu atmen. Die anderen Weissgurte und er arbeiteten nun mit einer ungeheuren Begeisterung.

Zu dieser Zeit trainierten ungefähr 50 Schüler im Dojo, und die Regeln waren klar. Arneils Aufgabe als Weissgurt lautete, jeden Morgen früh da zu sein und das Dojo zu reinigen. Auch die Toiletten mussten geputzt werden, wozu er die Hände nehmen und deshalb nach dieser Arbeit seine Fingernägel sehr gut reinigen musste. Der Boden des Dojos war sehr schlecht und vor jedem Training hiess es jeweils, die Nägel einzuschlagen Auch musste Arneil die Gi der Schwarzgurte mit nach Hause nehmen, um sie zu waschen Dafür gab es kein „Danke schön“ oder „gut gemacht“ – es wurde als selbstverständlich angesehen. War einmal ein Gi noch etwas schmutzig, bekam es die ganze Weissgurtklasse zu spüren….. härteres Training, länger bleiben und manchmal sogar Schläge mit dem Shinai (Bambusstock).

Zu dieser Zeit lebte Arneil in einem kleinen Zimmer in Aoyama, einige Meilen vom Dojo entfernt, welches gerade gross genug zum Essen und Schlafen war. Manchmal hatte Arneil Depressionen, da er völlig auf sich alleine gestellt war. Er konnte die Sprache nicht sprechen, und das Essen schmeckte ihm nicht. Alles war ein Kampf, sogar der Kauf eines Zugbilletts. Da alle Beschriftungen in Japanisch waren, musste er sehr schnell die Zeichen lernen. Das Leben war hart, und das Training eine grosse Herausforderung. Tausend Beinschläge an einem Abend zu machen, war nichts – , man dachte jedenfalls nicht darüber nach und erduldete es. Und jeden Tag wurde ungefähr eine Stunde gegen die Schwarzgurte gekämpft, wobei mancher Prügel einfing. Dies geschah nicht aus Bosheit, sondern einfach dem harten Charakter des Trainings entsprechend. Durch diesen Prozess lernte Arneil aber, sich zu verteidigen, schnell zurückzuschlagen und zu improvisieren.

Als er den 6. Kyu, den ersten Grad im damaligen System machte, war er immer noch Weissgurt. Dann absolvierte er den 5. Kyu (Gelbgurt), danach arbeitete er sich zum Grüngurt (4.+3. Kyu) hoch und schliesslich zum Braungurt (2.+1. Kyu). Er trainierte jeden Tag, morgens und nachmittags, fünf bis sechs Stunden im Tag, und dies über eineinhalb Jahre hinweg. Mit dem Geld, welches er auf den Schiffen in Südafrika gespart hatte, konnte er sich für diese Zeitspanne nur dem Training widmen. Der damalige Wechselkurs war gut, weshalb er viel Yen für sein Erspartes erhielt.

Dann war es endlich soweit, und er meldete sich für die Shodanprüfung (1. DAN) an, welche äusserst hart und schwer war. Doch bei Bekanntgabe der Resultate musste Steve feststellen, dass er durchgefallen war. Er hatte es nicht geschafft und fühlte sich niedergeschlagen und verschmäht. Er glaubte und sagte dies auch einigen Freunden, dass er nur durchgefallen sei, weil er ein Ausländer sei. Natürlich befand er sich im Irrtum. Und wenn er heute zurückschaut, so erscheint ihm dieser Entscheid richtig, weil er damals recht hochnäsig und undiszipliniert war. Das Wichtigste in seinem Leben war der Schwarzgurt – alles, was er je erreichen wollte. Doch wenn er damals den Schwarzgurt bekommen hätte, würde er Japan vermutlich verlassen haben und wäre nach Afrika zurückgekehrt. Dort hätte er geprahlt, welch grossartiger Junge er sei – ein Schwarzgurt!

Heute glaubt Arneil, das Kancho erkannte, dass er wohl körperlich, jedoch geistig noch nicht so weit gewesen war. Doch damals waren seine Einstellung und seine Gedanken auf dem Nullpunkt, da er eine Lektion bekam, die ihn aus der Fassung brachte. Er konnte es nicht glauben und ging zu den Instruktoren und fragte, ob er es nicht geschafft habe. Diese antworteten lediglich, dass er nicht auf der Liste sei. Da hoffte er, weil er ein Ausländer sei, werde er speziell erwähnt. Doch er redete sich das natürlich nur ein, um die aufkommende Niedergeschlagenheit zu bekämpfen. Nach langem Warten brachte er schliesslich genug Courage auf, um zu Kancho (Meister Oyamas Titel) zu gehen und ihn zu fragen, ob sein Name nicht auf der Liste sei. Oyama bejahte dies und schaute ihn nur an.

Da fühlte sich Arneil zurückgewiesen und war entschlossen, nach Hause zu gehen: zur Hölle mit dem Schicksal, all dem Geld und der Hingabe. Er war überzeugt, dass er zehnmal besser sei als der andere Schüler, der die Prüfung bestanden hatte. Für ca. eine Woche trainierte er nicht und war in einer sehr schlechten Verfassung, war er doch so von sich selbst überzeugt. Trotzdem ging er zurück und alle wussten, wie er sich fühlte. Doch in einem Kyokushinkai – Dojo wird nicht über Gefühle gesprochen, es wird trainiert.

Nach sechs Monaten fragte ihn Kancho, ob er nochmals zur Shodanprüfung gehen wolle. Doch Steve war sich nicht sicher, da sein Selbstvertrauen total zerstört war. Er bemerkte, dass er noch nicht bereit sei, woraufhin Oyama lachte und ihn ermunterte, es nochmals zu versuchen. In diesen sechs Monaten hatte Arneil viel über sich selbst gelernt: Bescheiden und menschlich zu sein, sich selbst nicht zu überschätzen und nicht zu denken, dass der Schwarzgurt alles sei. Aber auch nicht zu denken, dass der Schwarzgurt nichts sei, sondern nur ein Ding, welches man um den Bauch bindet. Er wurde in dieser Zeit ein erwachsener Mann.

Arneil machte die Prüfung nochmals und war überzeugt, sie nicht bestanden zu haben. Die Prüfung war sehr hart, genau so, wie sie heute von ihm abgenommen wird. Sie dauerte ununterbrochene fünf Stunden und beinhaltete Taktik, Theorie, Wissen, Erklärung, Kata, Grundschule, Kombinationen, Bruchtests und Freikampf. Es gab zwei Bruchtests: der Prüfling konnte eine Technik selbst wählen und der Experte bestimmte die andere Technik. Steve wählte damals den Mae-Geri (Vorwärtsfusstritt) und musste drei Bretter durchschlagen. Als Linkshänder sollte er die zweite Technik mit der rechten Faust ausführen. Er schlug sehr hart auf die Bretter, doch sie zerbrachen nicht, und er dachte sich, dass er nicht genug Kraft habe. Doch die Experten sagten ihm, dass er es nochmals versuchen solle, und er konnte fühlen, wie die anderen Schüler sagten: „Los, los, lass dich nicht gehen.“ Im Kyokushinkai ist man miteinander aussergewöhnlich stark verbunden und Arneil konnte diese Atmosphäre fühlen. Alle wollten, dass er es schaffte und es gelang ihm. Er schlug drei Bretter, die ein anderer Student hielt, durch. Trotzdem dachte er nach der Prüfung, dass er nochmals durchgefallen sei und fand sich damit ab. Als er in der folgenden Woche zurückkam, sah er seinen Namen auf der Liste.

Bereits vor der ersten Prüfung hatte er die Dreistigkeit besessen, einen Schwarzgurt zu kaufen. Doch als er nach erfolgreicher Prüfung nach Hause kam, sah er sich den Gurt an und traute sich kaum, ihn anzuziehen. Als er dann das Dojo betrat, fühlte er sich komisch und die Leute nannten ihn plötzlich Sempai (Senior). Es war ein schönes Gefühl, doch er fühlte sich sehr bescheiden. Drei Wochen später erhielt er von Kancho einen Schwarzgurt, den er noch heute besitzt. Oyama sagte ihm: „Trage ihn mit Stolz, aber vergiss nie, es ist nicht der Gurt, es ist der Mann, der ihn trägt, der zählt!“ Das war 1963.